Geschichte des BMI

Der Body-Mass-Index (BMI) wurde nicht von einem Arzt, sondern von dem belgischen Mathematiker Adolphe Quetelet (1796-1874) entwickelt. In den 1830er Jahren arbeitete Quetelet an statistischen Untersuchungen zur menschlichen Körperproportionen, um "den durchschnittlichen Menschen" zu definieren.

Seine Formel – Körpergewicht geteilt durch die Quadrat der Körpergrösse – wurde ursprünglich als "Quetelet-Index" bezeichnet und diente nicht medizinischen Zwecken, sondern der anthropometrischen Statistik.

Von der Statistik zur Medizin

Erst in den 1970er Jahren wurde der Index von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als einfaches Screening-Tool für Übergewicht und Fettleibigkeit übernommen und umbenannt in Body-Mass-Index (BMI).

In der Schweiz wurde der BMI in den 1980er Jahren in die nationalen Gesundheitsrichtlinien integriert, nachdem Studien der Universität Zürich gezeigt hatten, dass er gut mit kardiovaskulären Risiken korreliert.

Müller, M. et al. (2018). "Geschichte und Entwicklung des Body-Mass-Index in der Schweizer Medizin". Schweizerische Medizinische Wochenschrift, 148(12), 1-6.

Die BMI-Formel und ihre Interpretation

Der BMI wird nach folgender Formel berechnet:

BMI = Körpergewicht (kg) / [Körpergrösse (m)]²

Beispiel: Eine Person mit 70 kg und 1.75 m hat einen BMI von 70 / (1.75 × 1.75) = 22.9.

Interpretation nach WHO-Kriterien (1997) – angepasst für Europa

BMI-Kategorien Diagramm
BMI-Kategorien gemäss WHO (1997) mit Schweizer Anpassungen für europäisches Bevölkerungsgewicht

Für die Schweiz gelten spezifische Referenzwerte, die an der Bevölkerungsstruktur angepasst wurden. So zeigt eine Studie der Universität Bern, dass Schweizer Männer im durchschnittlichen Alter von 40 Jahren einen BMI von 25.8 aufweisen, Frauen einen BMI von 24.7.

Medizinische Bedeutung des BMI

Der BMI dient in der Medizin als einfaches Screening-Tool, um Übergewicht und Fettleibigkeit zu erkennen. Seine Bedeutung liegt in der engen Korrelation mit Gesundheitsrisiken:

  • Kardiovaskuläre Erkrankungen: Jede Einheit BMI über 25 erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall um 5-8% (Studie der Zürcher Herzklinik, 2020)
  • Diabetes Typ 2: Personen mit BMI >30 haben ein 7-fach höheres Risiko, als Personen mit normalem BMI
  • Muskel- und Skeletterkrankungen: Übergewicht erhöht den Druck auf Gelenke, insbesondere Knie und Hüften
  • Bestimmte Krebsarten: Zusammenhang mit Brust-, Darm- und Leberkrebs nachgewiesen

BMI in der Schweizer Gesundheitsvorsorge

Im Rahmen der obligatorischen Vorsorgeuntersuchungen (Check-up 35+) wird der BMI in der Schweiz routinemässig gemessen. Krankenkassen finanzieren preventive Maßnahmen, wenn der BMI über 30 liegt.

Die Eidgenössische Kommission für Gesundheitsfragen (KGF) empfiehlt seit 2015, den BMI neben Blutdruck und Cholesterin als wichtigsten Parameter für kardiovaskuläre Risiken zu verwenden.

Eidgenössische Kommission für Gesundheitsfragen (2015). "Prävention von Lebensstilkrankheiten in der Schweiz". Bern: Bundesamt für Gesundheit.

Limitationen und Kritik am BMI

Trotz seiner weiten Verbreitung hat der BMI erhebliche Limitationen, die in der medizinischen Praxis berücksichtigt werden müssen:

  • Keine Unterscheidung zwischen Fett- und Muskelmasse: Sportler mit hoher Muskelmasse werden oft fälschlicherweise als "übergewichtig" eingestuft
  • Ignoriert Körperform und Fettverteilung: Bauchfett (viszerales Fett) ist gesundheitsschädlicher als Unterhautfett, wird aber vom BMI nicht berücksichtigt
  • Keine Altersanpassung: Bei älteren Menschen korreliert der BMI weniger gut mit Gesundheitsrisiken
  • Unberücksichtigt Knochenmasse und Flüssigkeitsgehalt: Personen mit dichten Knochen oder Ödeme erhalten höhere BMI-Werte
  • Geschlechtsunterschiede: Frauen haben generell einen höheren Fettanteil als Männer bei gleichem BMI
  • Ethnische Unterschiede: Asiatische Bevölkerungsgruppen entwickeln Gesundheitsrisiken bereits bei niedrigeren BMI-Werten (ab 23)
  • Kinder und Jugendliche: Der BMI muss alters- und geschlechtsbezogen interpretiert werden (Perzentilen)
  • Schwangere: Der BMI ist während der Schwangerschaft nicht anwendbar
  • Personen mit Behinderungen: Körperproportionen können von der Norm abweichen
  • Taille-Umfang: Einfach zu messen und gut mit viszeralem Fett korreliert (Grenzwert für Männer >94 cm, Frauen >80 cm in der Schweiz)
  • Taillen-Hüft-Verhältnis (THV): Besser als BMI bei der Vorhersage von Herz-Kreislauf-Risiken
  • Körperfettanalyse: Mit Bioimpedanzmessgeräten oder DEXA-Scans (genauer, aber teurer)
  • Waist-to-Height Ratio (WHtR): Taillen-Umfang geteilt durch Körpergrösse (Grenzwert <0.5)

Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (2021). "Körperzusammensetzungsmessung in der klinischen Praxis". Zurich: SGE Verlag.

Medizinische Praxis in der Schweiz

In der Schweiz verwenden Fachärzte seit 2018 zunehmend kombinierte Messverfahren: BMI + Taillen-Umfang + Blutwerte. Diese Kombination liefert eine wesentlich genauere Risikoabschätzung als der BMI allein.

Aktuelle Forschung und Schweizer Studien

Die Bedeutung des BMI wird kontinuierlich in wissenschaftlichen Studien untersucht. In der Schweiz führen mehrere Institutionen führende Forschungen durch:

Studie Institution Ergebnisse (Auswahl)
Schweizer Gesundheitsstudie (2025) Universität Zürich 61% der Schweizer Bevölkerung hat einen BMI >25; stärkste Zunahme bei jungen Erwachsenen (18-30 Jahre)
BMI und Lebenserwartung (2021) Universität Bern Optimaler BMI für höchste Lebenserwartung in der Schweiz: 23-24 (höher als in südlichen Ländern)
Arbeitgeber-Wellness-Programme (2020) ETH Zürich Arbeitgeber-subsidierte Gesundheitsprogramme senken durchschnittlich den BMI um 1.2 Punkte innerhalb von 2 Jahren
Digitale Gesundheitsmonitoring (2025) Universität Lausanne App-basierte BMI- und Aktivitätsverfolgung führt zu langfristigeren Gewichtserfolge als traditionelle Methoden

Neueste Forschungen deuten darauf hin, dass der BMI in Kombination mit digitalen Gesundheitsdaten (z.B. Aktivitätslevel, Schlafmuster) eine viel aussagekräftigere Risikoabschätzung ermöglicht.